Neuzeit

Bergedorf und die beiderstädtische Verwaltung

(Eine Recherche von Bardo Metzger M.A.)

Nach der Eroberung Bergedorfs durch die Hansestädte Hamburg und Lübeck wurden Schloss und Stadt Bergedorf von 1420 bis 1867 durch Amtmänner beider Städte verwaltet.

Zunächst richtete man eine gemeinschaftliche Verwaltung ein, dann jedoch einigte man sich auf eine abwechselnde Verwaltung.

Ab 1442 wechselten sich die Verwalter alle vier, ab 1446 alle sechs Jahre ab. Erst vom Jahre 1620 an wurden die Amtmänner auf Lebenszeit eingesetzt. Häufig gehörten jene Männer auch dem Rat der jeweils entsendenden Stadt an.

Erste Priorität sah man 1420, nach Beseitigung der Kriegsschäden, in der Anhebung des wirtschaftlichen Niveaus der eroberten Ländereien. Die Einnahmen fielen dann der jeweils verwaltenden Stadt zu; größere Ausgaben für das Bauen und Renovieren von staatlichen Bauten wurden gemeinsam getragen. Bis ins letzte Drittel des 15. Jahrhunderts überwogen diese Ausgaben; erst danach erzielte man Überschüsse, hauptsächlich jedoch durch die Fährstelle am Eßlinger Zoll, heute Zollenspieker.

Bergedorf war im 15. Jahrhundert ein armes Städtchen. Die "Hamburger Herberge", heute "Stadt Hamburg", war damals das größte Haus der Stadt. Ein Rathaus existierte noch nicht. Immerhin hatte man einen Rat als Verwaltungsorgan und einen Bürgermeister, in dessen Haus auch die Ratsversammlungen stattfanden. Recht wurde beim Stadtgericht gesprochen, welches vom Amtmann und dem Rat einberufen wurde. Die Urteilsfindung war jedoch den Bürgern selbst überlassen.

Bergedorf und das Holz

Um eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation herbeizuführen, wurde 1443 der Schleusengraben als schnurgerade Verbindung zur Elbe gebaut. Der Vorteil dieser Wasserstraße lag darin, dass sie sich auf Hamburger Gebiet befand und man deshalb Handelsgüter frei von fremden Zöllen transportieren konnte. Bergedorf fiel in dieser Zeit eine wichtige Rolle als Umschlagplatz für das Holz aus dem Sachsenwald zu. Die Behrsche Halbinsel, auf der heute das CCB steht, und die lange dort ansässige Holzhandlung Behr, zeugten bis ins 21. Jahrhundert davon. Dies, und der Umstand, dass für den reibungslosen Betrieb des aufblühenden Schiffergewerbes eine Schleuse gebaut werden musste, führten dazu, dass sich immer mehr Wasserkraftbetriebe wie Säge- und Kornmühlen ansiedelten; Hammermühlen und Gerber-Lohmühlen folgten. Damit blühte auch das Zunftwesen in Bergedorf auf. Tischler, Zimmerleute, Böttcher, Drechsler und andere Zünfte profitierten vom Holzhandel, bis dieser schließlich im Laufe des Dreißigjährigen Krieges zurückging.

Doch die Stadtentwicklung erlitt auch Rückschläge, die nicht auf kriegerische Handlungen zurückzuführen waren. Am 17. Juni 1621 vernichtete ein Großbrand mindestens 30 Häuser der Stadt. Noch im Jahr zuvor war nach einer Visitation der Ratsdeputierten von Hamburg und Lübeck dazu ermahnt worden, die Strohdächer der Häuser durch Pfannendächer zu ersetzen, um der Brandgefahr vorzubeugen. Bereits 1623 hatte sich das Städtchen jedoch wieder von der Katastrophe erholt, und man erwog sogar den Bau eines eigenen Rathauses. Dieses Ansinnen wurde jedoch von Hamburg und Lübeck abgelehnt. In den Folgejahren stagnierte die Entwicklung Bergedorfs durch Gebietsstreitigkeiten unterschiedlichster Art. Erst um das Jahr 1720 nahmen Bevölkerungszahlen und Ausdehnung der Stadt wieder stetig zu. Einen weiteren Schicksalsschlag musste die Stadt 1771 hinnehmen, als durch einen großen Deichbruch auch Teile der Stadt überflutet wurden.

Bergedorf und der Krieg

Bergedorf war in der Zeit der beiderstädtischen Verwaltung mehrmals Objekt von Belagerungen und Besetzungen. 1554 besetzten die Braunschweiger das Bergedorfer Schloss wegen Hamburgs Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg. 1686 wurde Bergedorf von den Lüneburgern belagert und erobert, weil Hamburg sich weigerte, den Bürgermeister Hinrich Meurer wieder in sein Amt einzusetzen, nachdem er in Folge von Unruhen abgesetzt worden war. In der Zeit der Napoleonischen Kriege wurde Bergedorf 1806 zunächst von den Franzosen besetzt und blieb bis 1813 in deren Besitz. Erst nach dem Untergang der Napoleonischen Armee in Russland rückten die Franzosen unter dem Druck der nachrückenden russischen Truppen ab. Dies brachte jedoch keineswegs die erhoffte Entlastung der Bergedorfer Bevölkerung. Auch die russischen Befreier wollten erst einmal untergebracht und verköstigt werden. Erst 1815, nachdem die Truppendurchzüge langsam abebbten, konnte sich das Städtchen erholen. Von 1806 bis 1815 hatte Bergedorf 839.948 Mann einquartieren müssen. Die Abtragung der Kriegsschulden nahm 20 Jahre in Anspruch.

Seit jener Zeit war das Bergedorfer Schloss, dessen Bewaffnung bereits von den Franzosen mitgenommen worden war, in einem so jämmerlichen Zustand, dass man es fast abgerissen hätte.

Bergedorf und der Fortschritt

Das 19. Jahrhundert bescherte mit seinen enormen industriellen Fortschritten auch Bergedorf eine rasante Entwicklung. Die Einrichtung der Bahnlinie Hamburg - Bergedorf 1842 legte den Grundstein zu einer besseren Verkehrsanbindung. 1856 wurde mit Eröffnung einer Gasfabrik auch die Gasbeleuchtung der Straßen eingeführt.

Die Verbesserung des Postwesens war vor allem auf die Erneuerung der Infrastruktur zurückzuführen, welche allgemein zu einem ansteigenden Verkehrsaufkommen führte. Am 31. März 1847 lief der Vertrag mit Preußen wegen des Postamts ab. Dies ebnete den Weg zur Eröffnung eines eigenen, beiderstädtischen Postamts in Bergedorf. Die Postbeförderung erstreckte sich jedoch nur auf das Gebiet Bergedorfs.

Einen weiteren wichtigen Punkt in der Entwicklung Bergedorfs markiert der 1. Januar 1868.

Von diesem Tag an war die beiderstädtische Herrschaft beendet, da Lübeck die Stadt an der Bille an Hamburg abgetreten hatte. Bis 1894 stieg die Bevölkerungszahl von 3.131 auf etwa 8.000 Personen an. Dies war vor allem eine Folge der Industrieansiedelung. Bedeutende Industriebetriebe jener Zeit waren die Glashütten Hein & Dietrichs, die Vereinsbrauerei, die Hamburg-Bergedorfer Stuhlrohrfabrik von R. Sieverts und das Bergedorfer Eisenwerk, um nur einige wenige zu nennen.

Seiner wirtschaftlichen Bedeutung angemessen erhielt Bergedorf am 12.3.1927 endlich ein Rathaus. Mittlerweile zählte die Stadt über 19.000 Einwohner.

Das Stadtbild war seit der Industrialisierung immer mehr dem Kampf des Alten gegen das Neue ausgeliefert. Diese Entwicklung sollte ihren Höhepunkt in den 1950er Jahren mit dem Bau der Bundesstraße B 5 erreichen, ist jedoch in Teilbereichen immer noch aktuell.

Am 1. April 1938 beendete das sogenannte "Groß-Hamburg-Gesetz" die Geschichte Bergedorfs als Stadt. Es wurde Hamburg einverleibt, hat jedoch bis heute seinen eigenständigen Charakter bewahrt. Wenn ein Bergedorfer sagt: "Ich fahre in die Stadt", so meint er, dass er nach Bergedorf fährt.

 

 

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