Mittelalter
Bergerdorp - eine Siedlung in Stormarn?
In der Vergangenheit beschäftigten sich viele Historiker und Geschichtsschreiber mit dem mittelalterlichen Bergedorf - dem Bergerdorp, oder Bergirdorpe, wie es damals genannt wurde.
Diesen umfangreichen Arbeiten der Fachleute haben wir sicherlich keine neuen Erkenntnisse hinzuzufügen. Vielmehr beschränken wir uns auf eine kurze Zusammenfassung des bisher Geschriebenen und verweisen den Interessierten gerne auf die umfangreiche Literatur die zu dieser Thematik im Handel erhältlich ist.
Alle bisherigen Schriften die sich mit der Entstehung Bergedorfs in früher Zeit befassen beginnen zwangsweise mit der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1162. Hinzu kommen verschiedene nicht belegbare Thesen über die Wurzeln der kleinen Siedlung - mit einem Fragezeichen versehen, aber als relativ sicher gilt die Erklärung, daß Bergedorf vor 1162 eine stormarnsche Siedlung war.
Interessant ist es, dass das damalige Bergerdorp es überhaupt schaffte, so frühzeitig Erwähnung zu finden, wenn man sich die spärliche Besiedelung, abgesehen von Hamburg und Lübeck, vor Augen hält.
Bereits seit 1150 wurden durch die Eindeichung der Vier- und Marschlande die Ländereien innerhalb der drei Elbarme urbar gemacht und eigneten sich fortan für eine Besiedelung - Bergedorf hatte zu dieser Zeit schon eine eigene Kirche und es lag direkt an einer sehr alten Handelsstraße.
Was war sonst noch bemerkenswert an Bergedorf? Waren die Bewohner ehemals besonders streitlustig und kriegerisch und eregten somit besonderes Aufsehen ? War das Ur-Bergedorf Residenz eines Adeligen, eines Landesfürsten? Niemand weiß es genau aber Bergedorf muss große Vorteile gegenüber vielen anderen kleinen Siedlungen gehabt haben - das "Bergedorp" wurde 1162 in der ersten urkundlichen Erwähnung immerhin am Anfang in einer Aufzählung von Namen genannt, als der Erzbischof von Hamburg anlässlich einer Grenzregulierung einen Befehl zum Gehorsam gegenüber Evermodus, dem Ratzeburger Bischof gab.
Dokumentenfälschung gibt Rätsel auf
Man überlegte lange, ob Bergedorf zu der damaligen Zeit eher eine sächsische oder stormarnsche Siedlung gewesen sein könnte. Die Bille trennte nämlich die Bistümer Hamburg und Ratzeburg und auch Holstein-Stormarn und das Herzogtum Sachsen. Nur eine genaue Rekonstruktion des ehemaligen Verlaufs des Flusses dürfte hier demnach Aufschluss geben. Die Experten konnten aber bis zum heutigen Tage - aus Mangel an Material - die genaue geographische Lage Bergedorfs nicht beweisen. Manche verlassen sich auf einen Stiftungsbrief des Bistums Verden (1162) in welchem geschrieben steht: "Der östliche unfern Bergedorf in die Elbe fließende Arm der Bille wird als Hauptströmung angesehen und als Grenze zwischen dem Erzbistum Hamburg und dem Bistum Verden festgelegt". Demnach würde es zutreffen, dass Bergedorf auf stormarnschem Gebiet lag. Dieses alte Dokument verlor jedoch schon frühzeitig an Glaubhaftigkeit - es soll zwischen 1155 - 1157 gefälscht worden sein. Wenn sich aber jemand die Mühe machte ein Dokument zu fälschen, kann man denn nicht sogar viel sicher das Gegenteil annehmen.... - Bergedorf eine sächsische Siedlung?
Dänische Besetzer bringen den Fortschritt nach Bergedorf
Einige Unklarheiten gibt es eben in jeder Geschichte, zumal wenn diese, wie in unserem Fall, mehr als 850 Jahre zurückliegt. Relativ sicher ist aber der weitere Verlauf der Entstehung des kleinen Dorfes. Großen Anteil an der Geschichte nahmen die Dänen. Sie gaben die entscheidenden Impulse zur Entwicklung Bergedorfs und brachten zusätzlich den wirtschaftlichen Aufstieg. Damit verbunden wuchs auch die politische Macht. In der Zeit von 1202 bis 1225 errichteten die dänischen Besatzer - sie hatten sich unter König Knut VI. aller festen Plätze, Lübeck und Hamburg eingeschlossen, bemächtigt - die Kornwassermühle und stauten dazu die Bille. In der Folgezeit errichteten sie vermutlich das Bergedorfer Schloss und brachten die Besiedlung der Vier- und Marschlande in Gang. Dieses unterlag dem Geschick des als Lehensherr eingesetzten Askaniers Albrecht von Orlamünde. Ihm verdankt unsere Region zudem eine auf dem Mühlendamm verlaufende Fahrstraße. Die heutige Alte Holstenstraße nahm später einen Teil davon ein.
Deutsche Fürsten machten der dänischen Herrschaft 1225 ein Ende. Sie hatten sich verbündet und eroberten unter anderem Bergedorf zurück. Ein neu aufgestelltes dänisches Heer versuchte zwei Jahre später wiederum Holstein in seinen Besitz zu bekommen. In der Schlacht bei Bornhöved wurden sie dann endgültig geschlagen, und Bergedorf übernahm eine Funktion als Grenzpunkt. Der Schutz durch die Burg und ein von ihr aus kontrollierbarer Übergang zwischen den Billeufern ließen den Ort zum wichtigsten im sogenannten Gau Sadelbande (westlich) werden.
Bis zu seinem Tod im Jahre 1260 regierte der Askanier Albrecht I. von Sachsen-Lauenburg, und danach übernahmen seine Söhne die Herrschaft. Im Februar 1275 verlieh Johann I. von Sachsen-Lauenburg Bergedorf das Stadtrecht. Dieses gestattete den Bürgern, wie auch in Mölln, Lübeck und Hamburg, eine eigene Gerichtsbarkeit - sie hatten jetzt eine Art "politisches Mitspracherecht" - welches jeder Bürger "mit 10 Mark an Münzgeld" im Jahr bezahlen musste.
Standesgemäßes Auftreten kostete viel Geld
In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich im Landgebiet wiederholt Erbstreitigkeiten, so dass Bergedorf nicht als sonderlich vermögend anzusehen war. Hinzu kam, dass das residierende Herzogshaus wohl ständig unter Geldmangel litt und sich, um sich ein standesgemäßes Auftreten zu leisten, verschuldete. Fast 100 Jahre nach der Verleihung des Stadtrechts - es war 1370 - wurde so Bergedorf von Erich III., wie schon vorher Mölln von seinem Bruder Albrecht V., an Lübeck verpfändet. Lübeck gewann zunehmend an territorialer Macht und dehnte sich bis über die Elbe hinweg aus.
Mit Erich III. verstarb 1401 der letzte Adelige der Bergedorfer Linie. Ein Vetter 2. Grades entschloss sich zum gleichem Zeitpunkt, die zum Pfand gegebenen Landesteile zurückzuerobern. Er überraschte mit seinen Mannen den von Lübeck eingesetzten Schlosshauptmann Otto von Ritzerau und vertrieb ihn. Lübeck befand sich gerade selbst im Streit und musste kampflos sogar Curslack, Altengamme, Geesthacht und den halben Sachsenwald an den Streitlustigen verloren geben. Die Feindschaft zwischen Lübeck und Bergedorf setzte sich auch in der nächsten Generation fort.
Lübeck schlägt zurück
1419 bildete sich in Lübeck ein neuer Rat - zwischenzeitlich war die Stadt wieder gestärkt, die inneren Unruhen schon geraume Zeit vergessen - und die neuen Stadtväter besannen sich auf das gestohlene Bergedorf. Sie schlossen verschiedene Pakte mit Hamburg und dem Brandenburger Kürfürsten Friedrich I. von Hohenzollern. Letzterer befand sich gerade im Krieg mit Erich V., der unter anderem Herrscher über das Gebiet Bergedorfs war. Der Rachefeldzug der Lübecker war also gut vorbereitet, als im Juli 1420 ein Heer der Hansestädte das schutzlose Bergedorfer Schloss einkreiste, die Stadt besetzte, sie plünderte und teilweise niederbrannte. 1.000 Scharfschützen, 2.000 Lanzenträger und 800 berittene Soldaten griffen die befestigte Burg an - nach vier Tagen konnte sich die kleine Schlossbesatzung nicht mehr halten und bat um freien Abzug, welchen ihr die Befehlshaber gestatteten.
In einem Handstreich nahm man im Anschluss die Befestigungen Riepenburg und Kuddewörde ein. Kuddewörde wurde niedergebrannt, und als sich das mächtige Heer nach Ratzeburg, der Residenz Erichs V., wandte, kapitulierte dieser und willigte in den Perleberger Friedensvertrag ein - Bergedorf, Riepenburg, Geesthacht, die Vierlande und Zollenspieker (ehemals Zollstätte zu Eßlingen) sowie der halbe Sachsenwald gingen an die Städte Hamburg und Lübeck.
Die "beiderstädtische Herrschaft" ließ das stark zerstörte Bergedorf aber auch das Schloss wieder aufbauen und durch Streitkräfte sichern.
Bei dem Sturm gegen das Bergedorfer Schloss fiel im übrigen der hansische Offizier Dietrich Schreyge - ihm wurde ein Gedenkstein gesetzt, dessen Abguss noch heute im Innenhof des Schlosses als das älteste Hamburger Kriegerdenkmal zu besichtigen ist. Das Original befindet sich in den Kellergewölben und bildet den Grundstock der neu einzurichtenden Mittelalter-Abteilung des Museums.